Franz Josef Degenhardt - Die Lehrerin songtext (lyrics)

[Franz Josef Degenhardt - Die Lehrerin songtext lyrics]

Sie nun also ganz in Weiß
Mit Strauß und Schleier
Bernhard: Cutaway, Zylinder
So kommen sie aus dem Portal
Durch das Spalier der Leute
Die Orgel braust, die Glocken läuten
Und die Sonne scheint man klatscht
Und ihre Klasse OI I Ia
Wirft Reis ganz witzig?
Eine Hochzeit wie aus einem
Film der 50er Jahre
Genauso hatten sie sich's ausgedacht
Sie weiß nicht
Ob sie weinen oder lachen soll
Bevor sie jetzt die Treppe runtergehn
Bleiben sie stehn für einen kurzen Augenblick
Sie sieht auf diese kleine, alte
Schöne Stadt die ihr noch immer fremd ist
So wie diese Sprache
Die gern alles klein und weich kaut
Aber immer auf der Lauer liegt

12 Jahre ist das her, seit
Sie hierher gekommen ist
Als Lehrerin an das Gymnasium
Sie hatte sich da hingemeldet
Aus der Großstadt weg
Aus diesem Gift und eigenen Saft
In einer kleinen schönen Stadt die
Alten Dinge in Bewegung setzen
Wenden, über junge Köpfe
So hatten sie in Seminaren und in langen
Heißen Nächten diskutiert
Im Schwarz-Rot-Gold das ROT
Zum Leuchten bringen, müsste möglich sein
Gerade auch in der Provinz
Die Zeichen waren gesetzt mit Willy
Brandt und Gustav Heinemann
Es roch nach Vormärz
Und man sang die alten Lieder
Diesmal müsste es gelingen
Trotz Radikalenerlass und
Trotz alledem, trotz alledem

Es lief auch gleich gut los:
Die Schüler mochten sie
Und ein paar Kollegen dachten so wie sie
Demokratie wurde gewagt im Schülerparlament
Die Schülerzeitung haute auf den Putz
Flugblätter auf dem Schulhof
Das Jugendzentrum wurde selbstverwaltet
Und sie saß mit in dem Verwaltungsrat
Sie demonstrierten gegen Nazi Treffen
Waffenexport und den NATO-Flugplatz
Vor der Stadt sie lasen Brecht in Deutsch
Den kannte man noch nicht
Und in Geschichte Bundschuh
Bauernkrieg und?48? die
Revolutionären Traditionen?
Und diskutierten durch die langen
Hellen Maiennächte
Und sie schwammen unterm Silbermond
Und nackt im Fluß

Ihr Kursus in der Volkshochschule
Über Lohnarbeit und Kapital
Der wurde abgesetzt so fing es an
Man schloss das Jugendzentrum
Vorwand: Drogenhandel, schlägerei
Und sie bekam von ihrer
Schulbehörde den Verweis war das der Grund
Weshalb sie aus der
Wohngemeinschaft ausgezogen ist?
Sie weiß es nicht mehr, weiß auch nicht mehr
Wann die ersten Eltern
Von Verführung sprachen
Indoktrination und die Kollegen
Vorsicht rieten darüber hat sie nur gelacht
Doch dass sie dann im
Unterricht beim Bauernkrieg
Statt Thomas Münzer immer mehr dem
Martin Luther recht gab
War das diese Vorsicht?
Jedenfalls war es weit noch
Vor der Bonner Wende
Als sie dem Tennisclub beitrat
Wo Bernhard spielte
Aber auch die einflußreichen Leute
Aus der Stadt

Ja, auch noch vor der Wende war es
Als die neuen Schüler kamen
Cool und clever, ohne alle Illusionen
Wieder fein gekleidet die sich amüsierten
Wenn sie mit den andern demonstrierte
Gegen Kernkraftwerke und Raketen
Und die wurden mehr und mehr
Und winkten müde ab:
Projektwoche? Friedenserziehung? So was
Ist doch out
Und jetzt sind andere Themen angesagt
Und als sie losschrie, unbeherrscht
Da haben sie sie ausgelacht
Sabine auch und Markus
Und die Scham in deren Augen
Weil sie mehrheit'sfähig bleiben wollten
Hat sie krankgemacht
Die Magensäure lässt sie manchmal
Nicht mehr schlafen
Und sie fragt sich: War das nun vergebens
Die 12 Jahre, eine
Vormärzwiederholung, sehr romantisch
Aber eben nur als Farce? Kommt
Jetzt die fürchterliche Wirklichkeit?
Doch, wer in diese Richtung
Denkt sagt Bernhard der kriegt Krebs
Noch immer stehen sie oben auf der Treppe
Und sie sieht auf diese kleine, alte
Schöne Stadt die ihr noch immer fremd ist
Die Kirchentür steht offen
Und die Orgel braust
Die Glocken läuten, und die Sonne scheint
Man klatscht
Und ihre Klasse OI I Ia wirft Reis
Vater und Mutter fallen ihr ein
Sie sind nicht da sie hat ihnen
Von der Hochzeit nicht geschrieben
Berhard drückt jetzt ihren Arm
Sie sollen weitergehen
Auf einmal sieht sie vor sich jenes
Hochzeit'sphoto ihrer Eltern
Im Familienalbum: Ihre Mutter ganz in Weiß
Mit Strauß und Schleier
Ihr Vater: Cutaway, Zylinder
Die Kirchentür steht offen
Und die Sonne scheint
Und sicher haben die Glocken auch geläutet
Und die Orgel hat gebraust
Wie sie durch das Spalier der Leute
Jetzt die Treppe runtergehn: ein Ehepaar

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