Georg Kreisler - Der Zweck der Kirche songtext (lyrics)

[Georg Kreisler - Der Zweck der Kirche songtext lyrics]

Spoken: – Guten Tag!

– Guten Tag!

– Ich komme vom Bischöflichen Ordinariat

– Ach ja, bitte nehmen Sie doch Platz!

– Danke! Es handelt sich um den
Nördlichen Teil des Friedhofs
Die Gräber dort sind im
Sehr schlechten Zustand! – Ja
Ich weiß! Wir sind ja deswegen schon
Einige Male vom Ordinariat angerufen worden

Aber schau'n Sie: Dieser Teil des Friedhofs
Wurde im Jahre 1902 fertiggestellt!
Es leben keine Nachkommen mehr
Und es kommen auch
Keine Besucher zu diesem Teil des Friedhofs
Und, um es ganz ehrlich zu
Sagen, es gibt niemand
Der für die Gräberfürsorge dort bezahlt!

– Das Ordinariat wäre bereit
Einen gewissen Betrag für die bessere
Fürsorge dieser Gräber freizustellen!

– Ja, ehe, bitte wenn es bezahlt wird –
Das wäre natürlich etwas anderes!

– Wir können nicht sehr viel zahlen
– dreihundert Mark im Monat!

– Oh
Das reicht! Dafür wurde der Rasen gemäht
Und jedes Grab würde einzeln abgesteckt
Das würde natürlich ganz anders aussehen!

– Haben Sie ein entsprechendes Formular hier?

– Ja natürlich!

– Ich bin berechtigt
Für das Ordinariat zu unterzeichnen!

– Jawohl –
Formular hier in Punkt zwei schreiben
Wir: "Nordteil des Friedhofs" und
Dann hier "300 Mark monatlich"
Und hier "Fürsorgeplan C" bitte sehr!

– Mhm! – Sagen Sie
Darf ich Sie etwas fragen? Warum
Machen Sie das eigentlich?
Warum kümmert sich das Ordinariat um Gräber
Die doch sonst niemand
Die Leute in der Erde sind doch
Tot! Denen ist es doch egal
Wie es oben aussieht!

– Wir halten es für unsere Pflicht!

– Ach, verzeihen Sie
Aber diese Antwort ist so gut wie keine!
Warum halten Sie es für Ihre Pflicht?

– Die Kirche sorgt für die Toten!

– Wäre es nicht zweckmäßiger
Für die Lebenden zu sorgen?

– Also jetzt versteh' ich Sie
Nicht! Sie sorgen doch
Auch für die Toten! Sie
Sitzen hier im Friedhofsamt

– Naja, das ist mein Posten, mein Beruf
Damit verdien' ich Geld

– Die Kirche auch!

– Ja, aber die Kirche hat schließlich
Auch andere Zwecke!

– Das ist ein Irrtum mein Herr die Kirche hat
Nur einen einzigen Zweck: Für
Die Toten zu sorgen!
Ebenso wie das Friedhofsamt die
Kirche beschäftigt sich nur
Mit dem Tod – sonst mit nichts!

– Aber entschuldigen Sie –
Die Dome, die Bauten, die Kathedralen –
Die sind doch für lebende Menschen
Gebaut und nicht für Tote! – Nein
Für Tote! Das ist wie mit
Den Grabsteinen oder den Krematorien
Sie werden natürlich von

Lebenden Menschen gebaut
Und von lebenden Menschen frequentiert
Aber sie sind für den Tod da
Sie beschäftigen sich mit dem Tod!
Gäbe es keinen Tod
Wäre jeder Kirchenbau völlig sinnlos!
Unser Wahrzeichen, das Kreuz, trägt einen
Toten wir verehren einen Gott
Der getötet wurde!

– Aber er ist wieder auferstanden!

– Das ändert nichts daran
Dass er eine Zeit lang tot war
Alle Toten werden wieder auferstehen
Das ist unser Glaube – aber
Zuerst werden alle Menschen sterben!

– Wenn sich aber die Kirche
Ausschließlich mit dem Tod beschäftigt
Warum mischt sie sich dann in jede Phase
Des Lebens, angefangen mit der Geburt
Der Taufe?

– Der Tod beginnt mit dem
Moment der Geburt jeder
Anfang eines Lebens ist gleichzeitig
Der Anfang des Todes!
Jeder weitere Schritt in diesem Leben ist
Ein Schritt in Richtung des Grabes!

– Gut, das kann ich ja verstehen:
Himmel und Fegefeuer, die Kreuzzüge
Die Inquisition –
All das hat mit dem Tod zu tun aber
Wozu braucht man dann die ganzen Gesetze?
Angefangen von den zehn Geboten
Bis zur Pille –
Für Tote braucht man doch keine Gesetze!

– Nur für Tote braucht
Man Gesetze die Lebenden
Die haben ihre eigenen Gesetze!
Bei denen nützen keine zehn Gebote
Und kein Pillenverbot erst
Die Sterbenden brauchen Fürsorge –
Gesetze – Gebote
Erst Angesichts des Todes will
Der Mensch tugendhaft sein!
So, hier ist das Formular!

– Jaja, entschuldigen Sie
Nur noch eine Frage: Finden Sie nicht
Diese Beschäftigung mit dem Tod unklug?
Die Austritte mehren sich und die Jugend ist
Im zunehmenden Maße gegen die Kirche!

– Die Austritte – man kann
Aus der Kirche ebensowenig
Austreten wie man aus dem Tod austreten kann!
Die Ausgetretenen werden wieder eintreten –
Oder ihre Kinder werden eintreten
Und die Jugend – ja die Jugend ist gegen uns
Weil wir für den Tod sind
Die Jugend hält am Leben fest
Und wir werden von den Toten – und
Natürlich auch den Mördern – bezahlt
Aber die Jugend kann uns nicht beunruhigen!
Es gibt nur eines

Das die Kirche wirklich gefährden könnte:
Das ist die Wissenschaft!
Denn es ist möglich
Dass die Wissenschaft eines Tages den
Tod besiegt und dann
Wäre es auch mit der Kirche zu Ende!
Ohne Tod keine Kirche – aber vorläufig lautet
Dieser Satz noch: Ohne Kirche kein Tod
Und da selbst die Jugend einsehen muss
Dass ein Leben ohne Tod nicht vorstellbar ist
Wird sie sich – nolens volens –
Mit uns irgendwie arrangieren müssen
Sie tun es ja auch, junger Mann! Guten Tag!

– Tag!

– Und übrigens: Sung:
Der Tod ist nicht, was Sie glauben –
Nichts Schreckliches, nichts Schäbiges
Kein Zwang! Keine fauler Kompromiss
Kein Faustschlag ins Gebiss!
Der Morgen graut, die Putzfrau kommt

Und übrigens
Man stirbt nicht schwer und nicht langsam –
Man stirbt so wie man lebt, ein wenig schief!
Man hat sich nur geirrt, wie jedermann
Und kehrt zum alten Ausgangspunkt zurück!

Der Mensch in seiner Not vergisst
Dass auch die Kirche sterblich ist!
Und nie verzeiht er ihr die
Grausamkeit und die Aggression –
Ander'n schon!

Und übrigens
Die Kirche kennt auch kaum Verzeihung –
Darin passt sie sich ganz dem Menschen an!
Und wenn ihr Ende droht
Dann geht sie wie der Tod –
Doch wenn sie geht dann geht sie nur
Ins Freie!

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