Hannes Wader, Reinhard Mey - Epistel 35: Brüder, es zieht ein Geruch übers Land songtext (lyrics)

[Hannes Wader, Reinhard Mey - Epistel 35: Brüder, es zieht ein Geruch übers Land songtext lyrics]

Brüder es zieht ein Geruch übers Land
Sagt habt ihr den Balsam gerochen
Das Weinfass ist offen, gefüllt bis zum Rand
Doch sauft euch nicht um den Verstand
Hört ihr es schlurren und knirschen im Sand
Das tasten an Türen, das hallende Pochen
Seht, da kommt Vater Moritz gerannt
Sein Stirnblut durchdringt den Verband

Geht aus dem Weg, oder ich schlag zu!
Mein Mädchen hat schändlich
Die Treue gebrochen!
Grinst nicht so hämisch, ihr wisst
Dass ich's tu!
Nimm Wein hier und lasst mich in Ruh!

Schimpfworte fallen und schon
Fliegt ein Stein
Die Brüder beginnen zu raufen
Blutende gießen den Wein in sich rein
Kein Schwein kann schweinischer sein


Suff Tränen kullern ins Halstuch hinein
Greise vergessen beim Saufen das Schnaufen
Leeren die Blasen am eigenen Bein
Und füllen sie wieder mit Wein

Wahnsinnsflügel, der Tod ist nah!
Hört auf euch zu prügeln, versoffener Haufen!

Ach Vater Moritz bleib doch noch da!
Erzähl uns, was mit dir geschah!

Nun, ich versoff all ihr Geld und ich gab
Ihr Kind fort an wildfremde Leute
Als es dann starb
Goss ich Schnaps in das Grab
Winkte ins Dunkel hinab
Vornehme Freier mit Rosen am Stab
Stellten ihr nach und ich brachte die Meute
Nicht selten mit Tritten und
Schlägen auf Trab
Nahm ihnen ihr Hurengeld ab!
Aber Anna-Greta, jetzt
Leide ich Schmerz, fühl mich selbst als Beute
Von Schuld und Reue zu Tode gehetzt
Tief in der Seele verletzt

Schlagt auf mich ein bis
Das Hirn funken stiebt
Vielleicht nimmt der Schmerz mir den Kummer
Gut, wenn der Weingeist die Wahrnehmung trübt
Und dunkel die Sinne umgibt
Wohl 30 Jahre hab ich sie geliebt
Man schätzt das Brot mehr
Als Austern und Hummer
Her mit dem billigsten Fusel, den's gibt
Den der Wirt unterm Tresen verschiebt!

Teufel, er hat sich die Gurgel verbrannt
Um ihn herum fallen Fliegen und Brummer
Von seinem Atemhauch tot von der Wand
Seht nur ihm zittert die Hand!

Ach, wär ich doch endlich
Von Sehnsüchten frei
Der Teufel holt Pflaumen und Feigen
Die Angst legt sich mir auf
Die Brust schwer wie Blei
Quetscht mir das Herz noch zu Brei
Los, Brüder, schlagt eure Flaschen entzwei
Ich will mit dem Dunst
In die Lüfte aufsteigen
Hilf mir, Anna-Greta, hörst du meinen Schrei?
Komm zu mir zurück und verzeih!
Anna-Greta, du bist so klug
Gewitzt im Verstellen und im Verschweigen
Ach, bleib mir vom Leibe!
Von Lug und Trug, hab ich für immer genug!

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