Reinhard Mey - Dann machs gut songtext (lyrics)
[Reinhard Mey - Dann machs gut songtext lyrics]
Habe, das letzte Mal
Spülte ihn der Strom der
Reisenden in die Novembernacht
Ich erkannte ihn von weitem
An dem wehenden Khmer-Schal
Ich lehnte am Kofferraum
Unseres alten Strichacht
Wir umarmten uns, klopften einander
Flüchtig auf den Rücken
Ich musste mich etwas strecken
Er musste sich etwas bücken
"Hunger?" fragt’ ich, als sein Seesack
Krachend auf die Rückbank flog, er nickte
Ich holte uns zwei Laugenbrezeln und Kaffee
Und begann den alten
Immer gleichen Elternmonolog:
Alles klar? Ja! Was gibt‘s neues? Nichts!
Wie war die Fahrt? Okay!
Er erinnerte mich so an
Diese kleinen wilden Tiere
Die in Birma, wenn der Regen kommt
Ihre Winterquartiere
In den Häusern der Menschen suchen
Und ihnen, wie es heißt
Glück und Wohlstand bringen da saßen
Wir beide dicht an dicht
Ich am Steuer, er von ferne heimgekommen
Weit gereist wir hatten doch alles
Aber wir wussten es einfach nicht
Und als mich seine Einsilbigkeit
Schier zur Verzweiflung trieb
Dachte ich, mein Gott
Wie hab ich diesen Haderlumpen lieb!
Als ich ihn zum Bahnhof gebracht
Habe, das letzte Mal
Schulterte er seinen grünen Seesack
In der freien Hand
Hielt er ein großes Mitbringsel
Rauchend vor dem Wartesaal
Lehnte er mit einem Lächeln
An der bekritzelten Wand
Er trug das rote Barett
Das ihm betrunkene Soldaten
Mal geschenkt hatten er
Ging zum Zigarettenautomaten
Und als er nach Münzen suchte
Schob ich zwischen Reisepass
Tagebuch und Ticket heimlich einen
Brief und einen Schein
"Pass gut auf dich auf, und grüß das Mädchen
Und iss auch mal was!"
Stummes Nicken kinder können manchmal
Schrecklich wortkarg sein
"Dann mach‘s gut!" Und wir klopften
Einander flüchtig auf den Rücken
Ich musste mich etwas strecken
Er musste sich etwas bücken
Und sein schwarzes Haar fiel in
Den Nacken auf gebräunte Haut
In die faltenlose Stirn aus
Seinen dunklen Augen floss
Ein Blick fern wie aus der Nacht
Der Zeiten und doch so vertraut
Und als sich die Waggontür lärmend
Zwischen uns beiden schloss
Sah ich ihn schemenhaft hinter der
Spiegelnden Scheibe stehn -
Wir begreifen unser Glück erst
Wenn wir es von draußen sehn!
Wenn ich ihn vom Bahnhof
Abhol’n könnte noch einmal
Wollt‘ ich seinen schweren Seesack tragen
Und er wär mir leicht
Und ich deckte eine Tafel für
Ihn für ein Abendmahl
Wie es einem Königssohn gebührt
Und zur Ehre gereicht
Und ich wollte ihm den köstlichsten
Wein von der Loire eingießen
Und Girlanden sollten weh‘n und
Alle Flüsse aufwärts fließen
Wenn ich ihn vom Bahnhof abholen
Könnte nur noch einmal
Wollt’ ich gern bei Tag und Nacht
In Wind und Wetter wartend stehn
Könnt‘ ich irgendwann im Strom der
Reisenden den roten Schal
Leuchtend und so wohlvertraut, schon in
Der Ferne wehen sehn
"Welcome home" und wir klopften einander
Lachend auf den Rücken
Ich würde mich etwas strecken
Er würde sich etwas bücken
Wenn er auftauchte noch einmal vor
Mir aus der Dämmerung
Hielt ich ihn mit beiden Armen fest
Meine kostbare Fracht
Und der rostige Strichacht würde für
Ihn noch einmal jung
Und trüg ihn heim wie eine Sänfte
Aus 1000 und 1 Nacht
Ich wollte für immer warten
Vor der lausigen Bahnstation