Reinhard Mey - Zwei Hühner auf dem Weg nach Vorgestern songtext (lyrics)
[Reinhard Mey - Zwei Hühner auf dem Weg nach Vorgestern songtext lyrics]
So steht es reißerisch auf dem Programm
Modernes Schauspiel von Alfons Yondraschek
Und inszeniert ist es von Moro Schlamm
Und Yondraschek ist dem geneigten
Theaterkenner wohl bestens bekannt
Wird er doch gern zu Recht der
Meister des irrealen Parasymbolismus genannt
Da hebt sich zögernd schon der Vorhang
Das Bühnenbild zeigt "Nirgendwo"
Der Schauplatz ist bedrückend leer
Das bleibt noch gut zwanzig Minuten so
Doch dann erscheint gleichsam dämonisch
In jähem Wechsel des Rampenlichts
Ein Mime halblinks auf der Bühne
Und dann passiert lange Zeit nichts
Dann ruft er: "Ha! Wo steckt
Denn der Verräter?" Übrigens
Der Held ist selbstverständlich nackt
Die Frage lastet bleischwer auf dem Publikum
Und damit endet der erste Akt
Und jeder, der bis dahin folgen kann
Und der sich mit Bildung auskennt
Der schätzt am ersten Akt vor allen
Dingen des Dichters ungestümes Temp'rament
Da hebt sich gnadenlos der Vorhang
Das Spiel nimmt unbarmherzig seinen Lauf
Der Held ist vorsichtshalber
Erst mal umgefallen
Und nun steht er langsam wieder auf
Und wie das Leben nun mal spielt
Trifft er zufällig einen zweiten Nackedei
Die beiden üben laut Sozialkritik
Und schlagen Purzelbaum dabei
Ein Kritiker klatscht stürmisch Beifall
Er ist im Innersten wild aufgewühlt
Weil er hier all' seine Probleme
Endlich so recht verstanden fühlt
Derweil robbt sich aus der Kulisse der
Tückische Verräter auf dem Bauch
Der Weg ist lang, da schläft er ein
Ein Teil des Publikums tut das auch
Der Held nimmt sich
Schnell einen Plastikbeutel
Darin wird der Bösewicht verpackt
Und er begießt ihn mit drei Eimern Farbe
Und damit endet der zweite Akt
Und jeder, der bis dahin folgen kann
Und der sich mit Bildung auskennt
Der schätzt am zweiten Akt vor
Allen Dingen das
Gesellschaftskritische Moment
Im dritten Akt erfolgt die
Läuterung des buntverpackten Bösewichts
Die Spannung wird schier unerträglich
Man hört sie knistern, sonst hört man nichts
Die Läuterung findet im Plastikbeutel und
Zudem völlig geräuschlos statt
Wohl dem im Saal
Der Butterbrote oder eine Thermosflasche
Bei sich hat
Alsdann kommt ein maskierter Sprech-Chor
Und ruft: "Oh seht, der Held erfriert!"
Dabei war das nun wirklich nicht nötig
Denn das Theater wird subventioniert
Ein Poltern hinter den Kulissen
Verheißt ein grässliches Schicksalssymbol
Denn nun kommt der tragische Höhepunkt –
Verkörpert von Frau Emma Pohl
Frau Pohl tritt von rechts auf die Bühne und
Ruft: "Das hier ist ein anständiges Haus!"
Und sie entkleidet sich zum Schrecken aller
Doch da ist Gottseidank das Drama aus
Und jeder, der bis dahin folgen kann und der
Bislang auch noch nicht pennt
Der ist entweder nicht ganz klar
Im Kopf oder Theaterkassenabonnent