Reinhard Mey - Das Haus an der Ampel songtext (lyrics)
[Reinhard Mey - Das Haus an der Ampel songtext lyrics]
'Ne Ausfahrt zu spät von der Autobahn raus
Dann nehm' ich den Schleichweg durchs Dorf
Bis zur Ampel
Dann halt ich genau vor meinem Elternhaus
Da steht es noch immer wie vor hundert Jahr'n
Als wir darin lebten, uneitel und schlicht
Ein bisschen verwittert
Ein bisschen verlassen
Das Gartentor offen, im Flurfenster Licht
Die Farbe der Haustür ist abgeblättert
Das Fensterchen darin hat einen Sprung
Der Klingelknopf über dem Namen verrostet
Doch die Glocke klingt wie in der Erinnerung
Uh
Meine Mutter macht auf
Ihre Hände zittern wie immer ein wenig
Es riecht nach Kaffee und
Ein bisschen nach Rauch
Obwohl Vater ja angeblich schon
Lange nicht mehr raucht
Ich seh' ihn im Sessel
Vor seinem alten Röhrenradio
Die Augen geschlossen und er dirigiert
Seinen Mozart, ich habe ihm rot auf der Skala
Seine Lieblingssender mit Edding markiert
In der Diele hängt dieser Trevira-Mantel
Die steinalte Katze schnurrt leis
Vor sich hin wie seh'n mich die beiden
Was werden sie sagen
Jetzt wo ich selbst so grau
Wie sie geworden bin? Uh
Auf dem Küchentisch steht
Das Glas Pulverkaffee
Der Topf mit dem Tauchsieder, vorsintflutlich
Der Kühlschrank beklebt mit
Postkarten und Zetteln
Ach, ich könnt' euch was erzählen, sag' ich
Wie wir mit den Kindern
Die Dahlien gepflanzt haben
In eurem Garten, um sie Jahr für Jahr
Dann mühselig aus der gefrorenen
Erde wieder auszugraben
Wenn der Winter da war
Und vorm Haus träumte Fred auf
Der Schaukel vom Fliegen
Ihr habt sie dort mal nur für ihn aufgestellt
Fred ist groß und ist
Tatsächlich Flieger geworden
Und fliegt riesen Flugzeuge um
Die ganze Welt, uh
Tja, so trägt der Dreisatz
Den ihr mit ihm übtet
Noch einmal seine späten Früchte, wie gut
Die drei mit euch lesen und schreiben lernten
"Olaf malt Uta und Fu ruft tut"
Wisst ihr noch wie Lulu in eurem Backofen
Ihre Fimo Tiere ausgehärtet hat?
Und wie sie mit Mutter am Küchentisch malte
Schier unermüdlich, Blatt für Blatt
Nun, Lulu ist heute eine Silberschmiedin
Sie singt, malt und kocht
Da fällst Du auf die Knie
Und Mutter sagt: "Junge, hast du getrunken?"
"Aber Mutter", sag' ich, "Das
Mach ich doch nie!", uh
"Aber Mutter, das mach ich doch nie"
Und Großenkel habt ihr, ja, ganz wunderbare
So freundliche kleine, also ich sag'
Die werdet ihr lieben, die singen und tanzen
Und malen den lieben, langen Tag
Und ich? Nun
Ich mach' immer noch diese Lieder
Ihr wisst ja, das wollte ich immer schon gern
Ob man davon leben kann, was soll ich sagen?
Eh zu spät, dass ich noch was Richtiges lern'
Ich träume noch oft wie als Kind
Ich hole euch mit meinem goldenen Motorboot
Von der Arbeit ab und wir fahr'n nach Paris
Und in der Kajüte macht Mutter das Abendbrot
Uh
Vater steht auf, legt die Frankfurter Zeitung
In den Karton für das Altpapier
Den hattet ihr ausgelegt mit Ahornblättern
Für den verletzten Igel, den Max und ihr
Eines Abends am Straßenrand aufgelesen
Und liebevoll aufgepäppelt habt
Eh ihr ihm im Laubhaufen hinten im Garten
Ein sicheres Quartier und die Freiheit gabt
Und, ja, Max ist gegang'n
Max hat alles geseh'n
Die dunkelsten Nächte und den hellsten Schein
Immer ein bisschen weiter, immer allen voran
Immer auf seinem Weg und ganz allein, uh
Ach, was erzähl' ich euch hier? Das
Wisst ihr doch alles längst
Da oben auf eurem Wolkenthron
Hupen und blinken hinter mir
Die Ampel ist grün
Ist ja gut, ist ja gut, ist
Ja gut, ich fahre ja schon, uh