Reinhard Mey - Der Biker songtext (lyrics)

[Reinhard Mey - Der Biker songtext lyrics]

Das Auto kam mir voll
Auf meiner Seite entgegen
Wie lange hab' ich unter
Dem Motorrad gelegen?
Die Welt verschwimmt vor
Dem beschlagenen Visier
Viele kleine Engel singen, Sterne funkeln
Petrus kichert leis', aber da im Dunkeln
Kniet ein großer, schwarzer Biker neben mir
Wuchtet die schwere Maschine locker
Von mir runter
Legt den zusamm'ngerollten Regenkombi unter
Meinen Helm und langsam wir es wieder hell
Das Bild wird scharf und was
Ich seh ist unbeschreiblich:
Der Biker ist 'ne Bikerin
Der Kerl ist weiblich
Hey, ist das nicht meine
Alte Freundin Annabelle!
Annabelle, diesmal machen wir zwei es richtig
Was mal schiefgegangen ist


Ist nicht so wichtig diesmal Annabelle
Diesmal treiben wir's bunt!
Vergiß meine Wortspiele mit deinem Namen
Mach mir noch ein paar Erste-Hilfe-Maßnahmen
Dann beatme mich noch etwas Mund-zu-Mund!

Mit einem klugen Griff – das kann sie
Keine Frage – bringt sie mich sanft in
Die stabile Seitenlage
"Annabelle, was ich dir schon seit
30 Jahren sagen will: Ich glaub'
Ich habe da bei dir was gut zu machen
Ich hab' damals, nur damit die Leute lachen…"
Sie legt mir den Finger auf
Den Mund, "Still jetzt, ganz still!"
Kein Wort mehr über mehr
Oder wen'ger gescheite
Sprüche, über Beifall von der falschen Seite
Keine Vorwürfe, keine Entschuldigung
So war'n die Zeiten halt, so ist das Leben
Wer viel hinlangt
Der langt auch schon mal daneben
Und ich war ganz ehrlich, ganz sicher
Ganz dumm und ganz jung

Annabelle, diesmal machen wir zwei es richtig
Witzigkeit ist diesmal nicht
So furchtbar wichtig diesmal Annabelle
Diesmal war's verdammt knapp
Laß uns die Gelegenheit beim Schopfe packen
Leg deinen Arm noch mal unter meinen Nacken
Und nimm mir alten Schelm den kaputten
Helm und die Beichte ab!
Deine Ideale, will mir heute scheinen
Waren gar nicht so weit weg von meinen
Doch das zuzugeben
War ich viel zu blöd und stolz
Kleinliche Polemik, sinnloses Gestreite –
Eigentlich standen wir auf derselben Seite
Eigentlich waren wir beide
Aus demselben Holz!
Inzwischen hatten ein paar Autos angehalten
Und ein Dutzend dumpfe, untät'ge Gestalten
Begann sich gaffend und schwatzend
Um uns herumzuschar'n
Ich sah von unten rauf in ihre Nasen
Und las in ihren Glotzaugen
Wie in Sprechblasen:
"Was müssen zwei so alte Säcke
Auch noch mit'em Mopped fahr'n!"

Annabelle, diesmal machen wir zwei es richtig
Diesmal sind wir beide völlig uneinsichtig
Diesmal, Annabelle stehen wir mit
Dem Rücken zur Wand
Andre werden klüger, andre werden milder
Andern fall'n die Zähne aus
Komm laß uns wilder
Werden und laß noch deine
Hand unter mein'm Verband!

Zwei wie du und ich
Wir mußten einfach Funken schlagen
Konnten, auch wenn wir's dachten
Nicht dasselbe sagen
Dabei wußtest du: Ich war der erste Feminist!
Zwei wie du und ich
Uneins doch unzertrennlich
Sicher wußte ich immer schon:
Irren ist männlich
Und ich wußte, daß die Zukunft weiblich ist
Blaulicht und Sirene und Rettungswagen
"Pfoten weg und wagt es
Nicht mich abzutragen!"
Ich bleibe hier, den Kopf in deinem Schoß!
Tropf am Haken, Anschnallgurte
Milchglascheiben einer soll da rein
Einer soll draußen bleiben?
Annabelle, verdammt
Laß mich jetzt bloß nicht los!
Annabelle, diesmal machen wir zwei es richtig
Ideologie ist diesmal nicht so wichtig!
Annabelle, wir hab'n uns viel
Zu lang verkohlt männer und Frau'n passen
Vielleicht nicht zusammen
Aber meine allerschönsten Schrammem
Habe ich mir in diesem Duell, Annabelle
Bei dir geholt

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