Reinhard Mey - Douce France songtext (lyrics)
[Reinhard Mey - Douce France songtext lyrics]
Wie ein Hindernis im Treck
Der Hastenden, der Reisenden
Hatte leichtes Marschgepäck:
Ich stand wie Vasco da Gama vor
Dem Tor zur neuen Welt
Die Fahrkarte am Band um meinen Hals
Ich war ein Held!
Mit einem unscharfen Foto sucht'
Ich nach ihnen verstohl'n
Und mein Hasenherz, das
Flüsterte: Keiner kommt, dich abzuhol'n
Verlor'n, verscholl'n, gestrandet
Bahnsteig 10 am Gare de l'Est
Ist ein sehr einsamer Platz
Wenn dich dein Heldenmut verlässt
Da rief jemand meinen Namen
Ich bin auf sie zugerannt
Sie schlossen mich in ihre Arme
Die fremden Menschen auf dem
Bild in meiner Hand douce France!
Alles ist so fremd, so anders
So verwirrend und so schnell
So viel neue Bilder, alles ist so aufregend
So grell die Worte
Die ich nachspreche und beginne zu versteh'n
Menschen, die mir hier begegnen
Und die Dinge, die gescheh'n:
Wie sie ihre Autos parken, ohne Skrupel
Ohne Zwang küssen sich auf offner Straße
Und sie essen stundenlang
Menschen, die auf U bahnschächten schlafen
Hatt' ich nie geseh'n so viel Lebensmüde
Die bei rot über die Kreuzung gehen
Und Cafés stell'n Tisch und Stühle
Auf die Bürgersteige raus
Ich bin so fern von zuhause und
Ich fühl mich doch schon zuhaus!
Douce France!
100 Francs für eine Cola, 3 mal 50 für Kultur
Aus der Juke-Box für den großen Georges
Trénet und Aznavour
Wie haben sie mich entzündet
Überwältigt und bewegt
Hab' mein ganzes Taschengeld in
Ihren Liedern angelegt!
Und die spielt' ich nach auf
Den Boulevards als Straßenmusikant
Abends vor den Filmpalästen
Wo man damals Schlange stand
Ich habe Boris Vian gehört
Grapelli und Béchet -
Sein Sopran drang auf die Straße
Vorm "Caveau de la Huchette"
Andächtig standen wir draußen
Zwei Kinder Arm in Arm der Lebensdurst
Die Zärtlichkeit und der Jazz
Hielten uns warm douce France!
Hab' die Frauen in der Rue
Du Faubourg St denis geseh'n
Die ihre Schönheit verkaufen und ich
Konnt' es nicht versteh'n
Dass sie sich für jeden Drecksack hinlegen
Für jeden Wicht
Wenn er nur die Kohle hinlegt -
Ich versteh' es heut' noch nicht!
Ich sah Pflastersteine fliegen
Sah die Fratze der Gewalt
Sah die Klugheit unterliegen
Sah die Hand zur Faust geballt
Sah sie offen ausgestreckt und
Zur Versöhnung schon bereit lebte Freiheit
Fühlte Gleichheit und ich fand Brüderlichkeit
Douce France! Wie ein Film flimmert mein
Leben über die Kinoleinwand
Einer von den schönen alten
Mit Ventura und Montand
Ich seh: Soviel hat der Junge, der da spielt
Bei dir gelernt hat dich 100 mal verlassen
Hat sich nie von dir entfernt hat geübt
Sein eignes Land mit Liebe
Besser zu versteh'n
Und Unabdingbares milder und
Versöhnlicher zu seh'n
Da war nie ein Wort der Feindschaft
Nie eine Demütigung
Nur so ein gewisses Lächeln
In meiner Erinnerung
Manchmal, wenn ich an mir leide
Dann machst du mich wieder heil
Von meiner schweren, dunklen Seele
Bist du der helle, der federleichte Teil
Douce France!